Dienstag, 30. Mai 2017

Kloster Cluny in der regionalen Siedlungsgeschichte

Das Kloster von Cluny in Burgund ist als Zentrum der cluniazensischen Klosterreform des 10. Jahrhunderts von überregionaler Bedeutung. Um 910 gegründet, wurde es durch seine gut mit dem Hochadel und dem Königsfamilie vernetzten Äbte rasch außerordentlich wohlhabend. Das Kloster erhielt zahlreiche Schenkungen und konnte Besitztümer in der Umgebung hinzu kaufen.

Cluny
(Foto: R.Schreg)


Die Lage des Klosters in einem sanften, fruchtbaren Nebental der Sâone repräsentierte möglicherweise einen idealen "locus amoenus". Schriftliche wie archäologische Quellen lassen bei einer näheren Betrachtung erkennen, dass Cluny tatsächlich in einer eher abgelegenen, marginalen Landschaft gegründet wurde.





Eine Kartierung der frühmittelalterlichen Gräberfelder, wie sie sich aus der Carte archéologique de la Gaule (Rebourg 1994) gewinnen lässt, zeigt, dass das obere Tal der Grosne um Cluny im frühen Mittelalter keine Fundstellen aufweist. Entlang der Sâone und auch im unteren Talabschnitt der Grosne nördlich von Cluny liegen beigabenführende Gräberfelder im Abstand von wenigen Kilometern, und umgeben Cluny und seinen frühen Besitz im Norden und Osten. Dieses Fehlen von Gräberfeldern ist allerdings nicht zwingend ein Indiz dafür, dass der Talabschnitt unbesiedelte Wildnis war. Der Befund deutet aber doch an, dass hier keine zentralen Bauerndörfer lagen. Wie die Siedlungsgeschichte zwischen dem Ende der Beigabensitte und der Klostergründung verlief, ist zumindest mit archäologischen Funden kaum festzustellen.

Zur Gründungsausstattung des Kloster stiftete der Herzog von Aquitanien Wilhelm I jedoch Land, das im wesentlichen zu einem Jagdrevier gehört hatte - Land also, das nicht ungenutzt war, aber einer besonderen herrschaftlichen Landnutzung unterlag.

Stellt man den frühen Klosterbesitz (Rosenwein 1989) der Kartierung der frühmittelalterlichen Grabfunde der Region gegenüber, zeigt sich, dass das Kloster vor allem abseits der alten Siedlungszentren Besitz ansammeln konnte. Nur im Nordosten erhielt das Kloster auch Schenkungen aus Landstrichen, die nach Ausweis der Grabfunde schon früher besiedelt waren.
Die kartierten Besitzungen, die das Kloster gekauft oder geschenkt bekommen hat, wurden wohl nicht erst durch das Kloster erschlossen. Sie liegen aber auffallend in den Lücken zwischen den durch Gräberfelder markierten alten Siedlungszonen. Insgesamt sind deutlich intensivere Erwerbungen nördlich des Klosters zu erkennen, die sich überwiegend an den Tälern orientieren. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Ortsbezeichung sich auf die Gemarkungen bzw. das Wirtschaftsland der in den Tälern liegenden Siedlungen liegt, sich die konkreten Grundstücke aber durchaus auch in entfernteren, evtl. höheren Lagen befunden haben können. Das ist eine Frage der räumlichen Auflösung, die eine Ortsangabe nach Bezug auf die Siedlung, leisten kann.


Frühmittelalerliche Bestattungen und hochmitterliche Besitzerwerbungen
(Graphik R.Schreg)
Gleichwohl stellt sich die Frage, weshab die Erwerbungen des Klosters Cluny vor allem jene Gebiete betreffen, die im frühen Mittelalter keine Bestattungsplätze aufweisen. Fassen wir damit das Ideal des Klosters, in der Abgeschiedenheit zu leben? Oder handelt es sich um spät aufgesiedelte Gebiete, in denen die Besitzstrukturen flexibler und unsicherer waren? Gerade im Umland von Cluny lässt sich zeigen, dass Schenkungen an das Kloster oft durch die Intention der Schenker motiviert waren, den Besitz nicht aus der Hand zu geben.  Guy Bois hat beispielsweise die Entstehung eines Immobilienmaktes postuliert, der dazu geführt hat, dass verschuldte Höfe Gefahr liefen, ihr Land verkaufen zu müssen. Eine rechtzeitige Stiftung an das Kloster mit einem Nutzungsrecht für sich und die kommenden Generationen, konnte dieses Risiko abwehren.  Waren also entweder in diesen Gebieten die Besitzansprüche weniger gefestigt als im Altsiedelland oder waren diese Gebiete wirtschaftlich riskanter und die Höfe eher verschuldet?

Die Archäologie kann dazu im Augenblick wenig beitragen. Sie muss sich darauf beschränken, die besondere Lage der Besitzerwerbungen des Klosters in der Siedlungslandschaft zu konstatieren. Genauere Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der regionalen Siedlungen von archäologischer Seite liegen m.W. derzeit nicht vor. Die relativ detaillierte schriftliche Überlieferung zu Lournand lässt aber Mitte des 10. Jahrhunderts eine stattliche Siedlung mit 75 Gütern erkennen, die überwiegend auf Ackerbau beruhte, aber auch über Weinberge verfügte. Im Ort spielten wohl Kleinbauern eine wichtige Rolle. Das sind wesentliche Charakteristika der Siedlungen im Altsiedelland, die zeigen, dass die Erwerbungen des Klosters in dieser Region nicht etwa ärmliche, erst jüngst gegründete Ausbausiedlungen betrafen.

Literaturverweise

  • G. Bois, Umbruch im Jahr 1000. Lournand bei Cluny - ein Dorf in Frankreich zwischen Spätantike und Feudalherrschaft (München 1999). 
  •  A. Rebourg, Saône-et-Loire, Carte archéologique de la Gaule 71/4 (Paris 1994)
  •  B. H. Rosenwein, To be the neighbour of Saint Peter. The social meaning of Cluny's property 909-1049 (Ithaca 1989)
  •  R. Schreg, Mönche als Pioniere in der Wildnis? Aspekte des mittelalterlichen Landesausbaus. In: M. Krätschmer, Marco/ K. Thode/ C. Vossler-Wolf, Christina (Hrsg.), Klöster und ihre Ressourcen. Räume und Reformen monastischer Gemeinschaften im Mittelalter. RessourcenKulturen (Tübingen 2017 in Vorber.)

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