Montag, 28. November 2016

25 Jahre nach dem Bürgerkrieg: Archäologie im Libanon

Der Bürgerkrieg im Libanon dauerte über 15 Jahre von 1975 bis 1990. Es gab rund  90.000 Tote, 115.000 Verletzte und 20.000 Vermisste. 800.000 Menschen flohen ins Ausland. Die Infrastruktur wurde massiv zerstört - so gibt es bis heute keine Eisenbahn mehr. 1990 war das Land durch syrische Truppen besetzt und blieb bis etwa 2005 unter einer Art syrischem Protektorat. 

Das Nationalmuseum in Beirut während der Einsetzung des
Staatspräsidenten Bachir Gemayel im August 1982
(Foto: James Case [CC BY 2.0] via Wikimedia Commons)

Das 1942 eröffnete Nationalmuseum in Beirut lag seit 1975 genau an der "grünen Linie", der Demarkation zwischen den verfeindeten Parteien und wurde als Militärbaracke genutzt. Die Kleinfunde wurden heimlich im Kellergeschoss hinter mehreren Stahlbetonwänden eingemauert, größere Objekte durch Sandsäcke und Betonumhüllungen geschützt. Durch die Zerstörungen am Gebäude wurde dieses durch Regenwasser und salzhaltiges Grundwasser überschwemmt. Einige Räume brannten bei den Kämpfen aus, wobei Funde, Karten, Fotos und Dokumentationen vernichtet wurden. Die Funde im Keller aber wurden erfolgreich geheim gehalten und entgingen der Zerstörung und Plünderung - sie blieben von lagerungsbedingten Schäden abgesehen erhalten. Ab 1995 wurde das Museum restauriert und sukzessive wieder eröffnet. Erst jetzt, im Oktober 2016 wurde auch das Kellergeschoss wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Andere Museen und Fundstellen hatten weniger Glück: Die Depots der Denkmalpflege wurden geplündert. Einige der Funde wurden bei einer Kunstauktion in Zürich sichergestellt. Gleich zwei Mal wurde das Museum der American University of Beirut von Plünderern heimgesucht.
Östlich von Tyrus wurden phönizische  Gräberfelder der Eisenzeit sowie römische Gräber geplündert, das Gelände nur noch als Kraterlandschaft hinterlassen, die Funde über Zypern nach Europa und Amerika verkauft. Auch der bronzezeitliche Tell von Kāmid el-Lōz, lange eine deutsche Grabung, wurde mit Baumaschinen in eine Kraterlandschaft verwandelt. 1982 standen sich hier die israelische und syrische Armee gegenüber und legten Panzerstellungen an.
Diese Verluste sind nicht wieder gut zu machen. Viele der geplünderten Funde dürften noch heute auf dem Kunstmarkt sein. 

Bis heute ist der Libanon ein krisengeschüttelter Staat - so wurde das Amt des Staatspräsidenten jetzt erst nach Jahren der Vakanz wieder besetzt, nachdem mehrere Wahldurchgänge gescheitert sind. Der kleine Libanon hat weit mehr Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen als gesamt Europa (ca 1,5 Mio bei etwa 4 Mio Bevölkerung). 
Die Periode seit 1990 zeigt aber auch die Bedeutung, die dem Kulturgut für den Frieden zukommt.
Beim Wiederaufbau des Schulwesens spielten Überlegungen eine große Rolle, wie man den Unterricht so gestalten könne, dass er die Konflikte überbrücken könne. Dass dabei in Baalbek - wie in Palmyra (vergl. Die Zerstörung des alten Palmyra - 1929) - durch die westlichen Ausgräber alle nach-antiken Spuren beseitigt wurde, erschwerte es, die Ruinen in ein modernes Lehrprogramm einzubauen (Hakimian 1991).

Wie in den Nachbarländern sind auch im Libanon die archäologischen Quellen und Kulturdenkmale massiv durch Raubgrabungen wie auch durch die Siedlungsentwicklung bedroht. Eine ungute Rolle spielt der - gar nicht aus dem Libanon stammende - Seuso-Schatz (vergl. https://archaeologik.blogspot.de/2014/03/sieben-stucke-des-seuso-hortfundes.html), der mit gefälschten libanesischen Papieren auf den Markt kam und nach den Jahren des Bürgerkriegs im Libanon das Schatzfieber angeheizt hatte (Hakimian 1991).

Links

Literatur

Robert Fisk: The Biggest Supermarket in Lebanon. A Journalist investigates the plundering of Lebanon's heritage. Berytus 39, 1991, 243-252 - online: http://ddc.aub.edu.lb/projects/archaeology/berytus-back/berytus39/fisk/

Suzy Hakimian: De la nécessité d'enseigner l'archéologie `l'école. Berytus 39, 1991, 253-261.

Keine Kommentare: