Donnerstag, 23. Juli 2015

Die ungewollte Dienstleistung - Verantwortungen in der kommerziellen Archäologie

Interessante Einblicke in die Praxis des Verursacherprinzips:

"Wenn wir als archäologische Arbeitgeber es nicht schaffen, dieser ebenso unsozialen, wie auf Dauer unwirtschaftlichen Entwicklung entgegenzuwirken und zu verstehen, dass faire Löhne und Preise und Wertschätzung gegenüber unserer eigenen Arbeit und unseren Mitarbeitern der wesentliche Bestandteil unseres Selbstverständnisses und ökonomischen Überlebens sind, wird die privatwirtschaftliche Archäologie keine Zukunft haben. Der privatwirtschaftlichen Archäologie muss die Wertschätzung entgegengebracht werden, die ihrer gesellschaftlichen Aufgabe entspricht, nämlich zu helfen, unwiederbringlich verlorengehendes, kulturelles, historisches Erbe zu sichern, zu dokumentiern und weiterzugeben."

Mittwoch, 22. Juli 2015

Keramik aus Südwestdeutschland - laufende Neubearbeitung mit Studierenden aus Tübingen und Heidelberg

Für die Bestimmung der zahlreichen Funde der Sammlung A. Kley hatte ich zu Beginn meines Studiums, 1992, systematisch Typentafeln und Beschreibungen zur Keramik aus Südwestdeutschland zusammengestellt. Eigentlich war das eine Arbeit, die man nicht von einem Anfänger erwarten würde, sondern die eigentlich eine Aufgabe für erfahrene Keramikbearbeiter sein sollte. Ich hatte ein brauchbares Nachschlagewerk aber dringend vermisst und so ganz unbedarft mir die Unterlagen eben selbst zusammen gestellt. Da anschließend eine große Nachfrage nach den Unterlagen bestand, regte Barabara Scholkmann an, das Ganze doch als Buch zu publizieren. Die erste Auflage ist 1998 erschienen. Bei den nachfolgend notwendig gewordenen Neuauflagen handelte es sich weitgehend um unveränderte Nachdrucke, denn eine seit langem wünschenswerte Überbearbeitung scheiterte an der Zeitfrage.

Rainer Schreg

Keramik aus Südwestdeutschland. Eine Hilfe zur Beschreibung, Bestimmung und Datierung archäologischer Funde vom Neolithikum bis zur Neuzeit.
Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit

4. Aufl.
Tübingen: Verlag des Vereins für Archäologie des Mittelalters Schloß Hohentübingen 2012

ISBN 978-3-9806533-0-5
27,50 €
(Bezug über den Verein für Archäologie des Mittelalters Schloss Hohentübingen)


Nach wie vor ist der Band sehr gefragt und er wird in Lehrveranstaltungen an zahlreichen Universitäten eingesetzt - selbst in Leipzig oder  Hamburg. Schon lange möchte ich eine Neubearbeitung des Werkes angehen. Einerseits habe ich selbst inzwischen aus einigen Keramikbearbeitungen einen weiteren Erfahungshorizont und sehe einige Verbesserungsmöglichkeiten; andererseits hat auch die Forschung seit den 1990er Jahren einige neue Erkenntnisse gewonnen.

Übung zur Keramikbestimmung,
Tübingen Wintersemester 2014/15
(Foto R. Schreg)
Im Wintersemester 2014/15 wurde mit einer Übung am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen eine Neubearbeitung in Angriff genommen. Wir haben dabei bei den jüngsten Kapiteln zur Neuzeit sowie zum Hoch- und Spätmittelalter begonnen. Die Darstellung der neuzeitlichen Keramik war im alten Band sehr knapp ausgefallen - und gerade hier gibt es mit der inzwischen deutlich gewordenen Etablierung auch einer Archäologie der Neuzeit einigen Kenntniszuwachs. Einige inzwischen  neu definierte Warenarten wurden beschrieben und die Darstellung der wichtigen Ofenkeramik ausgebaut.

Im aktuellen Sommersemester 2015 wird die Überarbeitung mit einem Seminar am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie der Universität Heidelberg fortgesetzt. Standen in Tübingen die Kapitel vom Hochmittelalter bis zur Neuzeit im Mittelpunkt, so liegt der Schwerpunkt in der Heidelberger Lehrveranstaltung auf Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter.

Damit wird die Neubearbeitung noch nicht abgeschlossen sein, da auch nach den Lehrveranstaltungen noch einige Warenarten unbearbeitet sind. Zudem ist für die Neubearbeitung auch ein Fundstellenregest vorgesehen, das dazu beitragen soll, leichter Vergleichsfunde aufzufinden, aber auch die Grundlagen der Keramikchronologie offen zu legen. Dabei soll an den Landesgrenzen von Baden-Württemberg nicht Halt gemacht werden. Fundstellen der angrenzenden Landschaften im Elsaß, der Nordschweiz und Bayern sollen berücksichtigt werden. Insbesondere sollen aber Südhessen und große Teile von Rheinland-Pfalz integriert werden, wo der Forschungsstand zur mittelalterlichen Keramik bislang keine Zusammenfassung erfahren hat.
Zudem müssen auch die Abbildungen überarbeitet und um weiteres Bildmaterial, insbesondere Fotos der Funde ergänzt werden. Vielleicht lässt sich das in einer weiteren Lehrveranstaltung im nächsten Jahr realisieren.

Keramikübung mit Lesefunden einer Wüstung
Heidelberg, Sommersemester 2015
(Foto R. Schreg)
Für die Studierenden gibt die Arbeit Gelegenheit, allgemeine Kenntnisse zur Beschreibung und Bearbeitung von Keramikfunden, aber auch konkret zur mittelalterlichen Keramik aus Südwestdeutschland  zu gewinnen. Bewusst richten sich die Übungen deshalb auch an 'Jungsemester', die noch gar keine - oder eher wenige - Vorkenntnisse zu Keramikfunden mitbringen. Insbesondere ihr Feedback ist auch eine große Hilfe, klärungsbedürftige Fachausdrücke zu identifizieren und Erklärungen und Beschreibungen verständlich zu formulieren.

In Tübingen kann dabei auf eine Vergleichssammlung zurück gegriffen werden, die zwar bei weitem nicht alle Warenarten abdeckt, aber doch ein Grundlage bietet, um Herstellungsmerkmale kennen zu lernen:
In Heidelberg konnten wir dankenwerterweise auf die Fundbestände einer mittelalterlichen Wüstung aus dem hessischen Ried zurückgreifen, die B. Schroeder als Ehrenamtliche der HessenArchäologie betreut.

In welcher Form die auf die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit konzentrierte Neubearbeitung publiziert werden wird (und wann [also bitte nicht drängeln!]), steht noch nicht fest. Als Nachschlagewerk, das vor allem auch bei der Arbeit mit dreckigen Funden und in staubigen Magazinen genutzt werden wird, soll auf die Option einer Papierversion jedenfalls nicht verzichtet werden.  


Montag, 20. Juli 2015

Kulturgüterschutzgesetz ins Gegenteil verkehrt: eine Legalisierung von Raubgrabungen!?

dazu:
Eine Stichdatumsregelung mit dem skandalös späten Beitritt Deutschlands 2007 zur UN-Konvention zum Schutz des kulturellen Erbes von 1970 würde alle illegal gehandelten archäologischen Funde vor 2007 (und alle, denen eine angebliche Provenienz aus "alter Sammlung" angedichtet wird) legalisieren. Das Kulturgüterschutzgesetz würde damit den Handel und die Finanzierung von Daesh/IS eher unterstützen. 
"Alte Sammlungen" müssten noch nicht einmal vor 1970 zurückreichen (Ein Stichdatum, das an und für sich schon unsinnig/unmoralisch ist, da das Osmanische Reich schon seit 1869 den Export von archäologischen Funden an enge Bedingungen geknüpft hat, die dazu geführt haben, dass legal exportierte Funde in wissenschaftliche Sammlungen und Museen, aber regulär nicht in den Handel gekommen sind).

Interner Link:

Freitag, 17. Juli 2015

Ethische Fragen in der archäologischen Praxis

Cristobál Gnecco/Dorothy Lippert (Hrsg.)
Ethics and archaeological praxis. 
Ethical archaeologies: the politics of social justice 1

(New York, Heidelberg, Dordrecht, London: Springer 2015).

ISBN 978-1-4939-1645-0

Hardcover, 258 Seiten

120,27 € (als e-book: )

Ethische Probleme stellen sich in der Archäologie allenthalben. Sie stellen sich gegenüber Individuen, Minderheiten, gegenüber der gesamten Gesellschaft, aber auch gegenüber unseren archäologischen Quellen selbst. 
  • Instrumentalisierung und Kommerzialisierung: Der Missbrauch der Vergangenheit für Partikularinteressen und politische Propaganda
    • z.B. Umgang mit der Propaganda des Daesh ('IS')
  • Wissenschaft als Methode
    • gute wissenschaftliche Praxis im Fach
    • Umgang mit Parawissenschaften 
    • Selbstkritik
  • Ansprüche der Gesellschaft/Öffentlichkeit (Wem gehört die Vergangenheit?)
    • Information
    • Öffentlichkeitsarbeit
    • Eigentumsfragen
    • Einbindung von Laien
    • Umgang mit nicht-wissenschaftlichen Interessen
  • Umgang mit fremden Traditionen und Kulturen
    • Minderheiten
    • benachbarte Gesellschaften
    • Einheimische
    • kolonialistische Interpretationsmuster
  • Konservierung und Schutz der Fundstellen
    • Funde (Probleme der praktischen Konservierung, Archivierung, Ausstellung)
    • bei Grabungen angetroffene Baureste (die häufig die Untersuchung älterer Befunde stören) 
    • Problem der 'Lustgrabung'
    • Waffeneinsatz gegen Kulturzerstörer?
  • Antikenhandel und Schutz vor Raubgrabungen
  • Der Umgang mit menschlichen Resten
Vor diesem Hintergrund haben viele Institutionen in den vergangenen Jahren ethische Richtlinien für die Archäologie erarbeitet, die über einfache Regeln guter wissenschaftlicher Praxis hinausreichen.

Im deutschsprachigen Raum wurden solche ethischen Richtlinien eher selten diskutiert, obwohl gerade auch die deutsche Forschungsgeschichte sehr viel Anlaß bietet, das Thema ernst zu nehmen. Speziell auf ihre Anforderungen haben sich DAI und der Verband der Landesarchäologen Selbstverpflichtungen auferlegt bzw. Leitlinien formuliert:
Diese Richtlinien sind bei weitem nicht so umfassend wie die oben skizzierten Themen der archäologischen Ethik. Vielleicht ist es auch tatsächlich nicht erforderlich, dass Ethikrichtlinien feste Vorschriften für alle Punkte formulieren - ein Bewusstsein für die kritischen Punkte sollte im Fach und darüber hinaus aber vorhanden sein und kann mit entsprechenden Richtlinien voran getrieben werden. Vieles davon ist selbstverständlich, in manchen Punkten zeigen sich in der Praxis aber Spannungen (das betrifft z.B. den Umgang mit Raubgrabungsfunden, wo es Kollegen gibt, die argumentieren, man dürfe bekannte Funde nicht aus Katalogen ausschließen, 'nur' weil ihr Kontext unbekannt geblieben ist). Andere Probleme sind neu, so etwa der Umgang mit dem Kulturterror des Daesh ('IS'): Soll man dessen Propagandameldungen weiter verbreiten, was jedoch im Hinblick darauf notwendig scheint, dass sie erst westlichen Sammlern deutlich machen, dass ihr Kauf solche Zerstörung (und in erster Linie auch deren Bluttaten) unterstützt.

Der Bedarf nach Diskussion und Orientierung ethischer Fragen in der Archäologie besteht also und so verspricht der mit einem amerikanischen Hintergrund geschriebene Band Ethics and archaeological praxis gleichwohl auch Impulse für eine Diskussion in der deutschen Archäologie. Er gliedert sich in zwei Teile, wobei sich der erste der Frage widmet, inwiefern es überhaupt eine generelle, globale archäologische Ethik gibt und was die Rahmenbedingungen für ihre Rechtfertigung und lokale Reaktionen sind. Der zweite Teil dreht sich mehr der Praxis und thematisiert die Erscheinungen, Transformationen  und Zugeständnisse.

Dienstag, 14. Juli 2015

Talk Talk Talk - Was kann, soll und muss die "Theorie in der Archäologie" leisten?

Eine Podiumsdiskussion der AG TidA (Theorien in der Archäologie), organisiert von Doreen Mölders ging auf der Verbandstagung des MOVA (Mittel- und Ostdeutscher Verband für Altertumsforschung) am 17. Juni 2015 drei Stunden lang der Frage nach dem Stand der Theoriediskussion und ihren aktuellen und künftigen Aufgaben in der deutschen Archäologie nach.
Auf dem Podium saßen:
  • Prof. Sabine Rieckhoff (Leipzig)
  • Dr. Andrea Zeeb-Lanz (Speyer)
  • Prof. Thomas Meier (Heidelberg)
  • Stefan Schreiber (Berlin)
  • Martin Renger (Freiburg)

In einer Einstiegsrunde reflektierten die Diskutanten die Entwicklung der Theorie-Auseinandersetzung in der deutschen Archäologie - insbesondere, wie Theorie an den Universitäten zu ihren Studienzeiten rezipiert wurde. Sabine Rieckhoff berichtete aus den 1970er und 80er Jahre, wobei sei Wert darauf legte, dass man zunächst nicht von einer Theoriefeindlichkeit der deutschen Archäologie sprechen könne, sondern eigentlich eher eine Theorieabstinenz vorhanden war. Theoriefeindlichkeit sei erst eine sekundäre Entwicklung gewesen. Ihre Ausgangsthese, dass Theorie heute selbstverständlich an den Universitäten angekommen sei, wurde allerdings durch die folgenden Statements stark relativiert. Thomas Meier erzählte, wie sich Münchner Studenten in den 1990er Jahren heimlich auf eine Berghütte zurückgezogen haben, um die am Institut verpönte theoretische Literatur zu lesen.  Stefan Schreiber und Martin Renger bemängelten, dass auch heute eine Theorie nur bedingt Bestandteil der Curricula sei.


Podiumsdiskutanten im Kapitelsaal des Augustinerklosters in Erfurt
TidA
(Foto R. Schreg)
Aus den Einstiegsstatements ergab sich die Frage nach dem Stellenwert von Theorie heute. Etwas unscharf blieb dabei jedoch, über welche Theorie eigentlich gesprochen wird: Theorien über Entwicklungen und Gesellschaften der Vergangenheit, Theorien über archäologische Erkenntnis, Theorien über die gesellschaftliche Bedeutung der Vergangenheit oder eine Theorie bzw. Ethik der Denkmalpflege? Eine Runde der Diskussion gerade auch mit dem Publikum entspann sich um die Frage nach dem Stellenwert der Theorie für die Denkmalpflege. Martin Nadler vermerkte, dass hier die juristischen Grundlagen sehr viel grundlegender seien, als theoretische Erwägungen. Allerdings: Das jüngste Urteil zur Denkmalpflege in Nordrhein-Westfalen, wo ein Richter einem Kotten den Denkmalcharakter abgesprochen und die Notwendigkeit einer Grabung verneint hat (vergl. http://www.verband-archaeologischer-fachfirmen.de/news/neues-urteil-des-vg-duesseldorf-zur-bodendenkmalpflege/). Das Beispiel macht deutlich, dass eine Theorie über einen konkreten Begriff eben auch für die Praxis grundlegend ist. Sabine Rieckhoff betonte, Theorie sei wichtig zur Rechtfertigung und Konzeptualisierung.

Die Frage, was genau wir unter „Theorie in der Archäologie“ verstehen, war eine der Kernfragen der Diskussion. 
Ist sie die Summe von Konzepten des Prozessualismus, Postprozessualismus, Marxismus, Strukturalismus, Konstruktivismus etc., derer wir uns zur Deutung des archäologischen Quellenbestandes bedienen? Oder ist sie vor allem die Garantie für eine reflektierte Wissenschaft, sowohl in Bezug auf die differenzierte Interpretation empirischer Forschungsergebnisse als auch hinsichtlich der kritischen Bewertung unserer diskursiv bestimmten Forschungspraxis? (Einladungsflyer)
In der Tagungsdiskussion spielten die verschiedenen -ismen bemerkenswerterweise keine Rolle. Stattdessen wurde unter anderem die Frage aufgeworfen, inwiefern man aus Geschichte lernen könne. Unter Verweis auf Adorno äußerte sich Rieckhoff skeptisch. Doreen Mölders verwies hingegen auf ein "reflektives Potential archäologischer Funde". Mir scheint angesichts der Tatsache, dass der Rechtfertigungsdruck der Archäologie immer größer wird, diese Thematik von großer Bedeutung. Die "gesellschaftliche Relevanz" der kleinen Fächer wird heute immer wieder beschworen, aber Überlegungen, wie man diese konkret darstellen bzw. auch umsetzen kann, gibt es kaum. In einer eigenen Wortmeldung habe ich auf die Forschungsrichtung der "applied archaeology" hingewiesen, die hier im Blog verschiedentlich bereits angesprochen wurde (unter dem Schlagwort Lernen aus der Vergangenheit; weiterer Blogpost in Planung), die in Deutschland aber kaum bekannt ist. Wohl vor allem aufgrund der deutschen Forschungsgeschichte tut man sich hier besonders schwer, sich auf aktuelle Themen einzulassen, die dann zwangsläufig auch einmal politische Brisanz besitzen. 

Die TidA vertritt generell ein breites Verständnis von Theorie. Interessanterweise fehlt im Themenspektrum meines Erachtens aber ein ganz wesentliches Themenfeld, nämlich, die Frage des Geschichtsbilds der Archäologie. Vielleicht fällt mir das mit einem Forschungsschwerpunkt der vermehrt in der historischen Archäologie liegt, besonders auf, aber auch für eine prähistorische Archäologie ist das absolut relevant: In der Diskussion um eine Archäologie als Anthropologie oder als Kulturwissenschaft wird das traditionelle Gegenmodell der Archäologie als Geschichtswissenschaft kaum diskutiert. Dabei ist das Geschichtsbild entscheidend für die Positionierung gegenüber vielen der verschiedenen -ismen. Die ablehnende Haltung der deutschen Archäologie gegenüber Theorie liegt nicht zuletzt in einer tiefen Verwurzelung im Historismus, die in Vielem unreflektiert bis heute nachwirkt.  



Die Schaffung von Gegenwartsbezügen ist nicht unproblematisch und vielfach gefährlich. Eine Aufgabe der Theorie in der Archäologie ist es diese Bezüge selbstkritisch zu reflektieren. Dies betrifft beispielsweise die politische Vereinnahmung von Archäologie. Thomas Meier führet in der Diskussion dazu als ein Negativbeispiel die einseitige Präsentation des Limes als einer militärischen Grenzlinie dar, die im Kontext der aktuellen Abgrenzung Europas gegen die Flüchtlingsströme im Mittelmeerraum eine problematische Botschaft aussendet.  
In einer letzten Diskussionsrunde ging es um die Frage, inwiefern Theorie in der Archäologie auch bedeutet,"sich zu engagieren, gegen die Zerstörung von Kulturgütern, gegen Antikenhandel und gegen Sparmaßnahmen". Dazu wurde ich selbst aufs Podium gebeten, um aus den Erfahrungen mit Archaeologik zu berichten. Selbstverständlich bin ich der Meinung, dass wir dies tun müssen und dass wir auch Chancen haben, im Interesse des Fachs als Wissenschaft eine Lobby zu bilden (vergl. Archaeologik [17.4.2015]).

Ich habe die Diskussion in Vielem für anregend empfunden. Eine Diskussion über die Gegenwartsbezüge der Archäologie, insbesondere aber auch über die Methoden, wie dies zu bewerkstelligen ist, wie auch über die kritischen Punkte wird man in den nächsten Jahren verstärkt führen müssen. Immerhin gibt es Kollegen, die von einem reflektierten Standpunkt aus, solche Gegenwartsbezüge für nicht realistisch halten. Allerdings gehören sie in der aktuellen Antragsrhetorik längst zu den Allgemeinplätzen. Deshalb hängt die Glaubwürdigkeit des Faches auch davon ab, dass wir uns bemühen, solche Versprechungen einzulösen - oder uns gegebenenfalls realistischere Ziele setzen.


Link

Samstag, 11. Juli 2015

Antikenhandel und Terror - eine Podiumsdiskussion

Die Zerstörungen von Kulturgütern in Syrien und Irak haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Politik in den letzten Jahren verstärkt auf den Kulturgüterschutz gelenkt. Neben den eingängigen Bildern der Zerstörung, die die Propaganda von Daesh (IS) aus Ninive und Hatra liefert, stehen die teilweise schon älteren Bilder der Mondlandschaften, die Plünderer hinterlassen haben.
In Deutschland wird derzeit an einer Gesetzesnovelle zum Kulturgüterschutz gearbeitet. Einerseits hat sich das Listenprinzip des bestehenden Kulturgüterrückgabegesetzes nicht bewährt, andererseits aber sind auch Anpassungen an EU-Rechtslage notwendig. Vor allem aber sind sicherheitspolitische Erwägungen eine wichtige Motivation für die Gesetzesnovelle: Der Handel mit Antiken gilt als eine wichtige Einnahmequelle von Daesh.

Am Freitag nachmittag (10.7.2015) bot die Präsentation des Buch "Stolen, Smuggled, Sold. On the Hunt for Cultural Treasures (Rowman & Littlefield 2015 - ISBN 978-0759121928)" von Nancy Moses, ehemalige Direktorin des History Museum Philadelphia, Anlaß für eine Podiumsdiskussion zum Thema "Fördert der Handel mit Antiken den internationalen Terror?" Das neue Buch - bislang nur auf Englisch erschienen - wurde von der Autorin eingangs vorgestellt. Es schildert das Schicksal verschiedener Museumsobjekte, die eine illegale Vergangenheit haben:
Ein Beispiel ist für Moses ein kleines sumerisches Goldgefäß, das im Münchner Kunsthandel sichergestellt wurde. Gefunden im Irak, wurde das Gefäß durch die "Schweißbrenneraffäre" bekannt., die Moses in ihrem Buch auch beschreibt (vergl. Müller-Karpe 2011; 2012). Es handelt sich um eines der ältesten Goldgefäße, das mit Sicherheit aus einem sumerischen Königsgrab stammt, das wahrscheinlich von den Raubgräbern zerstört wurde. Moderne archäologische Untersuchungen solcher Gräber gibt es nicht. Die berühmten Königsgräber von Ur wurden in den 1920er und 30er Jahren ausgegraben und waren ein Schlüsselbefund zur Kenntnis der Gesellschaft des 3. Jahrtausends v.Chr. in Mesopotamien, die von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der modernen Zivilisation war.

Sumerisches Goldgefäß aus dem 3. Jahrtausend v. Chr., das in München sichergestellt und inzwischen an seinen rechtmäßigen Eigentümer, die Republik Irak, zurückgegeben wurde.
(Foto: Michael Müller-Karpe / RGZM)
Als zweites Beispiel präsentierte Moses die Geschichte des indianischen 'Ghost Shirt' von Wounded Knee. Nach dem Massaker an den Lakota-Indianern 1890 wurden die Leichen geplündert. Ein Ghost Shirt eines Schamanen fand 1891/2 bei der Europa-Tour der Buffalo Bill Wild West Show ins Kelingrove Museum in Glasgow, wo es mehr als 100 Jahre befand. Bei einer Ausstellung entdeckte ein Nachfahre der Überlebenden das Hemd, das inzwischen in die USA an die Lakota-Indianer zurück gegeben wurde. In Großbritannien löste der Fall eine Debatte über die Rückgabe von Kulturgütern aus (zum Fall: s. engl. wikipedia; LA Times, Historic Tunic Goes Home to Lakota Sioux. (29.11.1998). - http://articles.latimes.com/1998/nov/29/news/mn-48724).

Begräbnis der Toten des Massaker von Wounded Knee 1891. Die Toten wurden dabei geplündert - 
(Foto: Library of Congress Prints and Photographs Division, Reproduction Number: LC-USZ62-44458,
PD via Wikimedia Commons)

Moses betonte, dass alle Objekte in Museen ohne detaillierte, nachvollziehbare Objekte in Museen Raubgütern seien, formell möglicherweise legal, sicher aber unethisch. Die Bedeutung des Problems der Raubobjekte werde deutlich, wenn man daran denkt, dass der Terrorangriff von 9/11 teilweise aus dem Erlös des Antikenhandels finanziert worden sei.

Aus der folgenden Podiumsdiskussion mit Eckard Laufer (Landeskriminalamt Wiesbaden), Michael Müller-Karpe (RGZM), Michelle Müntefering (Mitglied des deutschen Bundestags) und Amir Musaway (Iraquia TV) moderiert durch Daniel Gerlach (zenith) seien hier nur einige Gedanken herausgegriffen.

Im Irak gilt Deutschland als ein kulturbewusstes Volk, um so weniger verstände man, so der irakische Journalist Musawi, das Versagen Deutschlands bei der Rückführung von Raubgrabungsfunden. Die juristischen Grundlagen seien in Deutschland einfach zu schwach und die Marktlobby sei in Deutschland zu einflußreich. Der Generalkonsul der Republik Irak Ali Al-Bayati hatte in seinem Grußwort die Bedeutung internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den illegalen Antikenhandel und den Terrorismus herausgestellt. Daesh habe keinen Respekt, weder gegenüber Menschen, noch gegenüber Kulturgütern und auch nicht gegenüber dem Islam.

Die Frage, inwiefern sich Daesh durch Antikenhandel finanziert, ist schwierig zu beantworten. Der irakische Journalist stellte fest, dass es aus dem Gebiet unter Kontrolle des IS keine direkten Nachrichten gäbe, dass die Menschen dort derzeit auch andere Probleme hätten, als sich um das Kulturerbe zu kümmern. Jenseits der Grenze sei aber an Funden aus Irak und Syrien alles zu kaufen. Angeblich haben Raubgrabungsgüter gegenüber dem Öl an Bedeutung gewonnen. 
Das  Problem des illegalen Antikenhandels sei keineswegs neu, betonte auch Laufer. Die Terroristen nutzen längste etablierte Schmugglerwege und kooperierten hier auch mit der Schwerkriminalität.

Für die Bundesregierung spielen bei der Novellierung des Kulturgüterschutzes auch sicherheitspolitische Aspekte eine Rolle. Es ist ein Anliegen, dem Daesh die Finanzierungsquellen zu nehmen. Zwar sei durch den Terror das Bewußtsein für den Kulturgüterschutz gestiegen, doch sei der Auswärtige Ausschuss schon länger mit der Thematik befasst, so die Abgeordnete Müntefering. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen mit dem Listenprinzip hätten sich als unbrauchbar erwiesen. Eine Neuregelung müsse EU-Rahmenbedingungen gerecht werden und Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern auch im Binnenmarkt regulieren. Insgesamt müsse die Gesetzeslage kohärenter werden und vereinfachend in einem Gesetz zusammengefasst werden. Bei der Erarbeitung des Kulturgüterrückgabegesetzes 2008 sei man mit dem Listenprinzip eingeknickt und hätte die ursprüngliche scharfe Regelung entscheidend verwässert. Dies dürfe nicht wieder passieren.
Eine Umkehr der Beweislast sahen mehrere der Diskutanten als Notwendigkeit. Eckard Laufer schilderte, dass die Ermittlungsbehörden in der Regel dann tätig werden, wenn sich in den gängigen Provenienzgeschichten Unstimmigkeiten zeigten. In der Regel zeigt sich dann, dass die Legenden der Provenienz durch keine Papiere belegt werden könnten. Auch er fordert eine Umkehr der Beweislast. Raubgrabungsfunde werden ja nicht vom Staat registriert, deshalb können sie auch nirgendwo gelistet sein. Bisher fehle es aber bei Strafverfolgungsbehörden bei einem Bewusstsein für die Problematik.
Da das osmanische Reich und seine Nachfolgestaaten ja prinzipiell bereist seit 1869 eine gesetzliche Regelung des Antikenhandels besitzen, wurden bei legal ausgeführten Fundobjekten schon lange offizielle Papiere ausgestellt. Händler haben solche Genehmigungen nie erhalten, die Ausfuhren sind daher schon immer illegal gewesen. Dass der Handel keine Papiere vorlegen kann, ist also kein Wunder. Funde werden oft über Jahre gebunkert und als "alte Sammlung" deklariert, bevor sie auf dem Markt landen.
Wie beim Handel mit Pelzen und Elfenbein muss sich in der Gesellschaft ein Unrechtsbewusstsein entwickeln. Einen Schritt weiter ging hier Michael Müller-Karpe mit seinem Vergleich mit dem Organhandel. Auch der Archäologie ginge es um Menschen, nicht um Objekte. Bemerkenswert erscheint mir in diesem Kontext eine Feststellung von Michelle Müntefering,  die eher nebenbei bemerkte, man dürfe den Funden keinen Geldwert zumessen, sondern müsste vielmehr den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Archäologen einen gesellschaftlichen Wert zuerkennen.
Wie man dies erreichen könnte, wurde in der Diskussion nicht angesprochen, lediglich aus dem Publikum kam der Wunsch man müsse Kampagnen starten wie eben bei den Pelzen, um Unrechtsbewusstsein zu schaffen.

In Bezug auf die aktuelle Gesetzesnovellierung sieht Müller-Karpe das Risiko, dass zwar prinzipiell ein scharfes Gesetz mit einer Nachweispflicht verabscheidet würde, dieses aber durch eine präzisierende Definition legaler Antiken mittels eines Stichdatums nicht ausgehebelt und ins Gegenteil verkehrt werden dürfe. Die Nachweispflicht müsse auch für bereits auf dem Markt befindlichen Funde gelten, da sonst der Markt als Ganzes legalisiert würde. Angesichts der meist unstimmigen Provenienzlegenden und gefälschter Papiere muss eine Stichtagsregelung unwirksam bleiben und hat nur den Effekt, dass der ganze Sinn der Gesetzgebung hintertrieben würde.

Das Schlusswort zur Diskussion kam aus dem Publikum: Die Forderung, den Handel mit archäologischen Funden vollständig zu verbieten.

Podiumsdiskussion in Mainz zur Finanzierung von Terrororganisationen durch illegalen Antikenhandel
(Foto: RGZM / C. Nitzsche)



Literatur
  • Moses 2015
    N. Moses, Stolen, Smuggled, Sold. On the Hunt for Cultural Treasures (Lanham: Rowman & Littlefield 2015). - ISBN 978-0759121928
  • Müller-Karpe 2011
    M. Müller-Karpe, Kriminalarchäologie (Mainz 2011)
  • Müller-Karpe 2012
    M. Müller-Karpe, Kriminalarchäologie: Die „Schweißbrenneraffäre“. Das vornehme Geschäft der Kulturzerstörung. BdK-Verbandszeitschrift. Sonderausgabe Hessen-Extra 4.4.2012

Links
Nachtrag (13.7.2015):






Donnerstag, 9. Juli 2015

Der frühe Homo Sapiens erhält neue Nachbarn

"Die Sibudu-Höhle in Südafrika ist eine der wichtigsten Fundstätten zur Kultur der frühen Menschen. Jetzt will ein Baukonzern direkt davor eine Siedlung errichten."
Steinwerkzeuge aus dem Sibudu-Abri
(Zeichnungen F. Brodbeck, G. Porraz [CC BY SA 3.0]
aus PLOSOne - http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0098359, Figure 3)

Die Sibudu-Höhle - eigentlich ein Abri - ist ein Fundplatz des Middle Stone Age mit Siedlunsgbelegen um 77.000 vor heute, eine bedeutende Fundstelle des Homo sapiens in Südafrika. Von hier stammen die ältesten bekannten Hinweise auf die Nutzung von Pfeil und Bogen.
Lag die Fundstelle bisher weit von der Zivilisation und konnte durch zwei Wächter geschützt werden, soll nun unmittelbar vor der Höhle mit einer geringen Pufferzone ein Neubaugebiet errichtet werden. Abgesehen, davon, dass die Lage nicht mehr erlebbar sein wird, bedeutet die unmittelbare Nachbarschaft einer großen Siedlung eine extreme Gefährdung der fürs UNESCO-Weltkulturerbe nominierten Fundstelle.

Abri von Sibudu, Blick auf die Ausgrabungen 2014
(Foto M. Ecker [CC BY SA 3.0]aus PLOSOne - http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0098359, Figure 2)
Literaturhinweis
  • M. Will/ G.D. Bader/ N.J. Conard, Characterizing the Late Pleistocene MSA Lithic Technology of Sibudu, KwaZulu-Natal, South Africa. PLoS ONE 9(5), 2014 - e98359. doi:10.1371/journal.pone.0098359

Mittwoch, 8. Juli 2015

Konservierung kostet Zeit und Geld

Das ist in dieser Kommunikation eine bittere Entscheidung  - aber vielleicht auch eine Gelegenheit, deutlich zu machen, dass es
1.) mit der Ausgrabung nicht getan ist, sondern dass auch danach noch Kosten anfallen, die durch das Verursacherprinzip oft eben nicht gedeckt sind,
und dass es
2.) nicht das Ziel der Archäologie ist, Museumsexponate anzuhäufen, sondern diese als wissenschaftliche Quelle zu nutzen und zu bewahren.


Interne Links

Montag, 6. Juli 2015

Saving money and cutting Culture - Governor Rauner and the Illinois State Museum

The US state of Illinois has been struggling for years with financial problems. At his inauguration in January 2015, the new Republican Governor Bruce Rauner announced comprehensive economic reforms and a restructuring of the state budget. In addition, top priority will be the improvement of the education system. One of his first official acts was to complain about all the "unnecessary" expenditures of authorities and to suspend them until further notice, to examine which state property could be sold.

For him, unnecessary spending also applies in regard of the Illinois State Museum in Springfield ISM, which, in addition to art collections, also hosts collections of natural history and history of the country. This includes palaeontological and archaeological finds and ethnographic collections that document, among other things, the history of Indian tribes. There are special agreements with several tribes on how to deal with their cultural heritage, which also guarantees them access at any time.

The ISM includes not only the exhibition building in Springfield, but also a research and collection center. It’s collections that are not on display are stored exemplary and are accessible for research projects that are supervised from here, such as the Landscape History Program or the North American Pollen Database. The museum also partners with the New Philadelphia Archaeological Project, which explores a city founded in 1836, and that goes back to the initiative of an African American. The museum archives the archaeological finds of the state and is closely linked with the Illinois State Archaeological Survey.

Throughout the state of Illinois, ISM runs several branch offices, including the Dickson Mounds Museum in Lewistown which documents a significant Amerindian landscape with numerous 'mounds'.

A 'temple mound' close to the Dickson Mounds
(Photo: R. Schreg, 2010)


The museum has a budget of just over 6 million $, but a multiple of the money was raised via external funding. With 200,000 visitors annually, the museum in Springfield is well established and highly regarded. The museum has received several donations from private collections and is therefore an important factor in maintaining not only the Archaeological Heritage but also in working with the public. Outside of Chicago, the ISM represents one of the few cultural institutions within the state of Illinois.

The Governor has now ordered its closure. At first, this seemed to be only a political pressure to enforce the financial budget in a majority Democratic House of Representatives, but in the meantime, first concrete steps to closing it down have now been initiated in the late summer - regardless of the unresolved future of collections. In addition, this still has to go through an administrative procedure (comp. graphics to state facility closing timeline), which intends a public hearing until 22 July:

Sonntag, 5. Juli 2015

Der Papst zum Kulturgüterschutz

In der Enzyklika Laudatio SI von Papst Franzsikus über die Sorge für das gemeinsame Haus  geht Papst Franziskus auch auf die Rolle des Kulturerbes ein. 
Sie enthält - jenseits der Glaubensfrage - einige bemerkenswerte Gedanken, die wichtig sind bei der immer wiederkehrenden Frage nach der Berechtigung von Denkmal- und Kulturgüterschutz.

Ausgangspunkt der Enzyklika sind eigentlich die weltweiten Umweltschädem (3.), die der Papst aber in einen größeen ökologischen Zusammenhang einordnet.
"Die Kulturökologie
(143.) Neben dem natürlichen Erbe gibt es ein historisches, künstlerisches und kulturelles Erbe, das gleichfalls bedroht ist. Es ist Teil der gemeinsamen Identität eines Ortes und Grundlage für den Aufbau einer bewohnbaren Stadt.
Es geht nicht darum, etwas zu zerstören und neue, angeblich umweltfreundlichere Städte zu bauen, in denen zu wohnen nicht immer wünschenswert ist. Die Geschichte, die Kultur und die Architektur eines Ortes müssen eingegliedert werden, so dass seine ursprüngliche Identität bewahrt bleibt. Deshalb setzt die Ökologie auch die Pflege der kulturellen Reichtümer der Menschheit im weitesten Sinn voraus. In direkterer Hinsicht ist gefordert, dass bei der Analyse von Fragen, die mit der Ökologie verbunden sind, den örtlichen Kulturen Aufmerksamkeit geschenkt wird, indem man die wissenschaftlich-technische Sprache in einen Dialog mit der Sprache des Volkes bringt. Wenn die Beziehung des Menschen zur Umwelt bedacht wird, darf die Kultur nicht ausgeschlossen werden, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Denkmäler der Vergangenheit, sondern ganz besonders in ihrem lebendigen, dynamischen und partizipativen Sinn."
Einen Lösungsansatz für die aktuelle Krise (Umweltzerstörung, Konsumrausch, Bequemlichkeit und die Unterordnung der Politik unter die Wirtschaft) sieht der Papst in der kulturellen Vielfalt: 
"(63.) Wenn wir die Komplexität der ökologischen Krise und ihre vielfältigen Ursachen berücksichtigen, müssten wir zugeben, dass die Lösungen nicht über einen einzigen Weg, die Wirklichkeit zu interpretieren und zu verwandeln, erreicht werden können. Es ist auch notwendig, auf die verschiedenen Reichtümer der Völker, auf Kunst und Poesie, auf das innerliche Leben und auf die Spiritualität zurückzugreifen." 
"Das Verschwinden einer Kultur kann genauso schwerwiegend sein wie das Verschwinden einer Tier- oder Pflanzenart, oder sogar noch gravierender."
In einem Kommentar zur Enzyklika auf den Seiten der DGUF sieht Diane Scherzler Ansporn und Ermahnung auch für Archäologen, sich daran zu erinnern, dass wir "eine ethische Verpflichtung haben und treuhänderische Verwalter eines kulturellen Erbes sind, das jedem Menschen gleichermaßen gehört. " 

Mittwoch, 1. Juli 2015

Das Kulturerbe in Syrien und Irak im Juni 2015

Im Juni verlagert sich der Schwerpunkt der Meldungen zurück nach Syrien. Nachrichten über Luftangriffe und Verminung kommen aus dem IS-besetzten Palmyra, doch auch aus zahlreichen anderen Städten gibt es Schadensmeldungen. Demgegenüber stehen einige eher hilflos wirkende Maßnahmen, die der Kulturgutzerstörung entgegen wirken sollen bzw. Dokumentationen zusammenstellen. Immerhin: Nach 60 Jahren unterzeichnet Großbritannien unter dem Eindruck der Vorgänge in Syrien und Irak die 1954 beschlossene Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.
Palmyra 1993
(Foto M. Scholz)

Schadensmeldungen

eine Zusammenstellung für Syrien