Sonntag, 1. Juni 2014

Syrien im Mai 2014 - Zwei Jahre Syrienberichte auf Archaeologik

Mit dem Post zum Mai 2014 dauert die Post-Serie zu den Folgen des Bürgerkrieges für Syrien nun geschlagene zwei Jahre. Der erste Post entstand aus einer einfachen Empörung, die folgenden aus einer Verwunderung darüber, dass es kaum (öffentlich sichtbare) Stellungnahmen all der Kollegen gibt, die in Syrien gearbeitet haben, deren eigenen wissenschaftlichen Quellen zerstört werden und deren persönlich bekannten Kollegen direkt unter dem Geschehen zu leiden haben. Ich bin Mittelalterarchäologe, war noch nie in Syrien und habe von wenigen Ausnahmen abgesehen (siehe Archaeologik) auch keine eigenen Forschungsinteressen dort - und bin entsprechend auch weder mit der Archäologie in Syrien noch mit den Fundstellen dort vertraut - ich war noch nie dort.
Mich wundert aber, dass man so wenig von den Fachleuten hört, von ihren Einschätzungen, was hier verloren geht, von ihren Informationen, was vorgeht. Nicht, dass das vor Ort an Gewalt und Tod etwas ändern würde - aber vielleicht wäre im Westen mehr Bewusstsein da, dass man mit dem Sammeln archäologischer Objekte den Zerstörungen und dem Krieg nur Vorschub leistet. Und nicht zuletzt: Die historischen Dokumente einer Region sind die Grundlage, dass es eine Zukunft gibt, dass die Menschen Identität und Würde behalten können. Die öffentliche Aufmerksamkeit scheint mir aber wichtig, denn ein Teil des Problems und damit ein Teil der Verantwortung liegt nicht in Syrien, sondern im Westen und auch in Deutschland. So lange das Sammeln von Antiken gesellschaftlich geachtet ist, so lange ein Markt für archäologische Funde existiert, so lange werden auch in Syrien, Ägypten und anderswo immer neue Rau- und Schatzgräber motiviert archäologisch Fundstellen, historische Quellen und kulturelle Identitäten zu vernichten.
Mir ist bekannt, dass viele Kollegen sich privat im Stillen engagieren und sich für Kollegen vor Ort und jene im Exil einsetzen. Die Post-Serie in Archäologik scheint aber in eine Lücke zu stoßen, die ich als Nicht-Fachmann nur ungenügend füllen kann. Die Posts gehören zwar nicht unbedingt zu den am meisten Gelesenen, aber sie haben schon mehrfach Aufmerksamkeit gefunden und zu verschiedenen Medienanfragen geführt. Das bestätigt mich, die Posts fortzusetzen, bestärkt aber auch meinen Eindruck, dass hier eigentlich andere Kollegen gefordert sind.


Aktionen, Appelle und Maßnahmen
Das DAI hat seine schon seit längerem laufenden Bemühungen um eine digitale Dokumentation seiner umfangreichen Datenbestände zu Syrien in seiner Jahrespressekonferenz vorgestellt.
Die digitalen Referenzdaten sollen nach dem Bürgerkrieg die Erfassung und Behebung kriegsbedingter Schäden ermöglichen, außerdem soll es die Datenbank erleichtern, geraubte Museumsgüter zu identifizieren. Das ist mit Sicherheit eine wichtige und richtige Initiative, die man eigentlich viel offensiver kommunizieren müsste.

 ICOM Deutschland stellt am 17. Juni gemeinsam mit dem DAI und den Staatlichen Museen in Berlin die deutsche Fassung der Emergency Red List zu den gefärdeten Kulturgütern Syriens vor.

Eine Petition auf change.org stellt keine Forderungen, sondern bietet für die vor Ort arbeitenden Kulturgutschützer eine moralische Unterstützung: https://www.change.org/petitions/help-ensure-the-survival-of-syria-s-cultural-heritage-2 

Die UNESCO versucht mit Tagungen die Voraussetzungen zu schaffen, nach einer Klärung der Verhältnisse im Land rasch reagieren zu können. Syrien war Thema auf dem regulär alle drei Jahre stattfindenden Forum der Kulturen und speziell einer Tagung am 26./27. Mai. 
''We want to help Syrians come up with a post-war plan, when we will be able to enter the country with a clear idea of which situations need intervention first.'' (Anna Paolini, UNESCO)

Mamoun Fansa, der im vergangenen Jahr mit einer Ausstellung und begleitendem Buch den Blick auf die Zerstörungen in Aleppo gelenkt hat (vergl. Archaeologik) , arbeitet an einer umfassenderen Dokumentation der Zerstörungen am Weltkulturerbe "Syrien. Sechs Weltkulturerbe-Stätten in den Wirren des Bürgerkriegs.", die für Oktober angekündigt ist. Behandelt werden die Toten Städte, Krak des Chevaliers, Qal’at Salah ad-Din, Aleppo, Palmyra, Damaskus und Bosra.

Aktuelle Berichte über Raubgrabungen und illegalen Antikenhandel 

Aus der Klostersiedlung von Malooula, die längere Zeit unter Kontrolle der Aufständigen war, liegt nun ein Schadensbericht der Regierungsstellen vor. Zerstörungen durch Kampfeinwirkungen sind an fast allen Kirchen und Klöstern festzustellen, doch gibt es darüber hinaus zahlreiche Hinweise auf Plünderungen.Angeblich wurden die dortigen Höhlen von Schatzsuchern durchwühlt und als Verteidigungsstellungen ausgebaut. Das Kloster St. Takla wurde geplündert, christliche Symbole zerstört. Im benachbarten, ins 4. Jahrhundert zurückreichenden Kloster St. Sergius und Bacchus wurde mit Bohrungen unter dem Altar nach Schätzen gesucht. Zahlreiche Reliquien und Ikonen sind verschollen, hier scheint unklar, ob sie zerstört wurden oder zu Geld gemacht werden sollen.
Ende April konnten einige palmyrenische Grabreliefs sichergestellt und dem Museum in Palmyra überstellt werden.
Ein wesentlicher Schmuggelweg führt durch den Libanon, wo die Altertümerverwaltung mitteilt, dass etwa zwei Schmuggeltransporte pro Monat abgefangen werden können.
Und in Deutschland macht eine Metalldetektor-Firma Werbung mit Sondenfunden aus Syrien:
Zerstörungen
Zusammenfassend zu den Zerstörungen am Krak des Chevaliers:
Bilder der leer geräumten Museumsausstellung in Aleppo:
    Am 23.5. wurde bei youtube ein Video aus Apameia eingestellt, das aus großer Entfernung Raubgräber zeigen soll. Viel ist nicht zu erkennen - außer einem bereits komplett zerwühltem Gelände. Insofern bietet das Video einen Eindruck, was die Goolge-Luftbilder (vergl. Archaeologik) tatsächlich zeigen: Krater. 

    boomender Tourismus im zerstörten Homs?
    Kaum waren am 5.5. 2000 aufständische Kämpfer aus Homs evakuiert, prognostizierte der syrische Minister für Tourismus in der staatlichen Nachrichtenagentur SANA eine boomende Touristensaison im Homs, wo vielfältige Aktivitäten geplant seien.
    Über die große Bedeutung des Bildungstourismus für Syrien:

    Propaganda
    Mit der Rolle der Kultur im Präsidentschaftswahlkampf in Syrien setzt sich ein Artikel der Neuen Zürcher Zeitung auseinander. Er weißt darauf hin, dass sich das Assad-Regime immer heimatverbunden gegeben hat, gleichzeitig aber im Rücken seiner Armee die Plünderungen zunehmend. ISIL spielt dem Regime mit ihrer gezielten Kulturzerstörung dabei in die Hände:
    Dazu auch die Darstellung des oppositionellen APSA 2011 mit Kritik an der Einbindung der staatlichen Denkmalpflege in die UNESCO-Veranstaltungen:

    Interne Links

    Keine Kommentare: