Montag, 23. Juni 2014

Hoffentlich ein wirksames Instrument: Vorstellung der Roten Liste gefährdeter Kulturgüter Syriens von ICOM

ein Beitrag von Jutta Zerres

Die zahlreichen Berichte über Zerstörungen und Plünderungen des reichen und vielfältigen Kulturerbes Syriens im Bürgerkrieg, die auch hier auf „Archaeologik“ immer wieder in Beiträgen thematisiert wurden, haben den ICOM (International Council of Museums) veranlasst, eine Rote Notfall-Liste der gefährdeten Kulturstätten zu erarbeiten. 
Am Dienstag, dem 17. Juni 2014 fand im Archäologischen Zentrum der Staatlichen Museen Berlin die offizielle Präsentation der deutschen Fassung statt. Anwesend waren Vertreter des ICOM Deutschland (Deutsches Nationalkommitee des International Council of Museums), des DAI und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. 
Auch Rainer Schreg und ich waren geladen. Da Rainer Schreg verhindert war, reiste ich allein nach Berlin, um an dem Ereignis teilzunehmen und hier nun für „Archaeologik“ kurz zu berichten.

Rote Notfall-Listen zu gefährdeten Kulturgütern in Kriegs- und Krisenregionen werden seit einigen Jahren vom ICOM, der sich dem Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern verschrieben hat, herausgegeben. Die Roten Notfall-Listen sind als Handreichungen für Experten für Kunst- und Kulturerbe und für die Strafverfolgungs- und Zollbehörden gemacht, um die Identifikation von syrischen Kulturgegenständen zu erleichtern. Sie führen Objekttypen und –kategorien auf, die eine akut gefährdet sind, in den illegalen Antikenhandel zu geraten. Mit der Herausgabe solcher Listen will der ICOM aber auch in der breiten Öffentlichkeit ausdrücklich vor dem Erwerb von Kulturgütern aus der betroffenen Region ohne vorherige Prüfung der Provenienz und der gesetzlichen Unterlagen warnen.

Ein internationales Expertenteam stellte die Liste zu Syrien mit finanzieller Unterstützung des U.S. Department of State’s Bureau of Educational and Cultural Affairs zusammen. Bereits im September 2013 war die englischsprachige Fassung erschienen.

Palmyrenische Grabsteine stehen auf der Roten Liste, die Abbildung zeigt
beispielhaft ein Exemplar aus dem Museum in Palmyra.
(Foto: Ziegler175 [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons)



Die einführenden Worte zu der fast zweieinhalbstündigen Veranstaltung sprachen Herrmann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hans-Martin Hinz (ICOM Deutschland), die Präsidentin des DAI Friederike Fless und Christina Haak (Staatliche Museen Berlin). Zur Situation der Kulturerbestätten und Museen in Syrien äußerten sich Stefan Weber vom Berliner Museum für Islamische Kunst und Ricardo Eichmann (Orient-Abteilung des DAI). Beide Instiutionen haben im November 2013 in einem gemeinsamen Projekt mit dem Titel „Erstellung digitaler Kulturgüterregister für Syrien / Syrian Heritage Archive Project“ begonnen, ihre umfangreichen Datenbestände zur Archäologie Syriens digital zu erschließen. Die Sammlung soll eine Grundlage zur aktuellen und zukünftigen Bewertungen des Denkmälerbestandes Syriens liefern.

Eine deprimierende Übersicht über Beraubungen und Zerstörungen in Kulturstätten und Museen infolge des Bürgerkrieges gab Karin Bartl, Leiterin der Aussenstelle Damaskus des DAI in Vertretung von Maamoun Abdulkarim vom syrischen Directorate General of Antiquities and Museums (DGAM), der nicht anwesend sein konnte. Bartl erläuterte darüber hinaus auch die Maßnahmen, die das DGAM in der Zwischenzeit zum Schutz von Kulturgütern ergriffen hatte.

Zum illegalen Handel mit Kulturgut aus Syrien äußerten sich Markus Hilgert vom Vorderasiatischen Museum Berlin und Silvelie Karfeld, Spezialistin für die Thematik beim Bundeskriminalamt Wiesbaden. Karfeld machte darauf aufmerksam, dass Deutschland in einschlägigen Kreisen als ein El Dorado für den illegalen Kulturhandel gelte. In der abschließenden Podiumsdiskussion wies sie darauf hin, dass die konsequente Weigerung von Museen Objekte mit unsicherer Herkunft anzukaufen eine gute Gegenmaßnahme sei. Außerdem solle in der Öffentlichkeit ein Bewußtsein für die Unrechtmäßigkeit geschaffen werden. Der Besitz von historischen Kulturobjekten müsse gesellschaftlich geächtet werden, ähnlich wie seit Jahren der Besitz von Pelzen im öffentlichen Bewußtsein in Mißkredit geraten sei.


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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Das Faltblättchen hat ja gerade mal vier Seiten. Das ist ja reichlich enttäuschend. Da kann doch nicht annähernd gezeigt werden, was da möglicherweise illegal gehandelt wird. Dass das wirklich hilfreich ist, ist doch wohl eher unwahrscheinlich.

gw